Feldwaide hat immobilientechnisch eine neue Zielgruppe ins Auge gefasst: Senioren. Nachdem Bauherren wohl festgestellt haben, dass Luxuswohnungen für 2.300 Euronen KM hier nicht so gut gehen, werden dererlei Wohngelegenheiten nunmehr explizit als Seniorenwohnungen angeboten.
Ich habe durchaus sehr großes Verständnis dafür, dass Wohnraum für bestimmte Zielgruppen geschaffen wird. Und gerade ältere Menschen würden sicher mit Freuden darauf verzichten, zu Fuß in den 3. Stock tappern zu müssen. Was ältere Herrschaften allerdings mit einer 135 qm messenden Penthousewohnung mit 40 qm Dachterrasse anfangen sollen, das erschließt sich mir nicht so ganz. Insbesondere, da diese 135 qm mal wieder großzügig auf nur 3 Zimmer verteilt werden, es zwar ein Fahrstuhl im Hause gibt, aber eine Stellmöglichkeit für eine Waschmaschine in der Luxusbleibe mal wieder nicht vorgesehen ist, und die alte Dame bitteschön mit dem Fahrstuhl zum Wäschewaschen ins Kellergeschoss fahren möge. Dort kann Sie dann im extra dafür vorgesehenen Raum ihre Wäsche waschen und trocknen – was natürlich einen erneuten Gang in die Kellerkatakomben erfordert. Wie die gebrechliche Dame den mit sauberer Wäsche gefüllten Korb allerdings wieder in ihre Luxus-Penthousewohnung ohne Waschmaschinenanschluss befördern soll ist mir schleierhaft.
Auch weiß ich nicht, ob sich die ältere Dame in dem knapp 50 qm messendem Wohnzimmer wirklich wohl fühlen wird. Einer riesigen Halle mit über 4 Metern Deckenhöhe. So wirkt die Einrichtung fast spartanisch in diesem von bodentiefen Fenstern gesäumten Raum. Die Teppiche sehen winzig aus auf der schier unendlichen Weite des dunklen Parketts und die gerahmten Fotografien über der hölzernen Anrichte verlieren sich im Nichts der sonst kahlen Wände.
Im Geiste stelle ich mir eine kleine, alte Frau vor, die in Würde gealtert mit ihren schlohweißen Haaren und dem etwas aus der Mode gekommenen aber noch immer adrett wirkendem mausgraubeigen Kostüm im Sessel vor der großen Fensterfront sitzt. Jedes Fältchen in ihrem Güte und Bescheidenheit ausstrahlendem Gesicht zeugt von einem langen, erfüllten und zuweilen beschwerlichen Leben. Ihre kleinen etwas zittrigen von durchscheinender und etwas runzeliger Haut überzogenen Hände ruhen ineinandergelegt in ihrem Schoß. Auf dem kleinen Tischen neben ihr liegt die Hörzu, darauf eine Ansichtskarte aus Australien von ihrem Sohn. Ein guter Junge. Er ist viel auf Reisen. Beruflich unterwegs. Er hat ihr diese Wohnung besorgt kurz bevor er vor einem Jahr aus Feldwaide wegging – mit Frau und Kindern irgendwo in den Süden zog.
Sie sieht so verloren aus, wie sie da sitzt. Ihr Blick schweift gedankenverloren aus dem riesigen Fenster. Graue Wolken ziehen hastig herbei. Zwei Krähen lassen sich vom Wind treiben – würgen widerwillig ihr hässliches Gekreische in die kühle nach Regen riechende Luft. Mehr kann man von hier oben nicht sehen, denn die ausladende Dachterrasse versperrt den Blick nach unten… auf die Straße… dorthin, wo das Leben ist…

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